Von Wutausbrüchen und Derbyhelden

Mit G.S.I. Rümlang und dem FC Seefeld warteten zwei Teams aus der unteren Tabellenhälfte, gegen die sich dem FC Neumünster die Möglichkeit bot, weiterhin vorne dranzubleiben.

Zunächst ging es für die Kleeblätter bei nasskalten Bedingungen ins beschauliche Flughafendorf. Dort wartete eine sympathische Mannschaft, die mit Attributen wie Pünktlichkeit und Selbstwahrnehmung für sich zu werben weiss.

Zugegebenermassen zeigten sich jedoch auch die Neumünsteraner an diesem Sonntagmorgen nicht von ihrer besten Seite. Das schleppende Offensivspiel und die passive Defensive führten zwischenzeitlich gar zu mannschaftsinternen Misstönen. Stimmung gereizt quasi. Trotzdem kam es, wie es kommen musste: Nach einer gefährlich getretenen Ecke von Gabay fand der Ball mustergültig und frei von jeglicher Hektik via Befreiungsversuch sowie Schienbein der gegnerischen Hintermannschaft doch noch seinen Weg ins Tor.

So nahm Neumi eine eher glückliche Führung mit in die Pause und gelobte Besserung – im Wissen darum, dass es in der zweiten Halbzeit mit einem knappen Vorsprung meistens besser wird. Vorerst aber gab es weiter Stunk: Zunächst quittierte Sadiku seine Auswechslung mit einem Wutausbruch und Tritt gegen die Bande, aufgebracht darüber, dass er in seinem letzten Spiel vor den Ferien bereits zu diesem Zeitpunkt ausgewechselt wurde. Trainer Reiff wiederum nahm sich den Schiedsrichter vor und erinnerte diesen nach einer Showeinlage Straumanns daran, dass es seine Aufgabe sei, die Spieler zu schützen. Der Schiedsrichter seinerseits, vor dem Spiel noch um die Gesundheit seiner Schützlinge besorgt („Achtung Jungs, der Platz ist rutsch“), sah seine Aufgabe zu diesem Zeitpunkt viel eher darin, der Gruppetto aus der Agglo noch einen abenteuerlichen Elfmeter zuzusprechen. Diesen kratzte Schlussmann Struchen in der Folge gekonnt aus der unteren rechten Ecke, weshalb sich die drei Punkte nach einer ebenso bescheidenen zweiten Halbzeit schliesslich doch noch in den Kreis 7 verirrten.

Hatte man die Woche zuvor noch eine Weinbar an der Seitenlinie stehen, erachtete es an diesem Sonntag nicht einmal die Beiz in Rümlang für nötig, für dieses 4. Ligaspiel ihre Türen bzw. Zapfhähne zu öffnen. Umso schneller ging es für einige der üblichen Verdächtigen zurück nach Zürich direkt ins Piccolo – ohne Torschuss, dafür mit einem Sieg im Gepäck.

In der Folgewoche stand das Derby gegen den Erzrivalen an. Die Ausgangslage: Der stolze FC Neumünster grüsste vom schmeichelhaften zweiten Platz, der durchzogen in die Saison gestartete FC Seefeld hätte mit einem Sieg punktemässig immerhin gleichziehen können.

Die Startphase war geprägt von gegenseitigem Abtasten. Zu erwähnen sind ein Distanzversuch des wieder frisch aus den Ferien zurückgekehrten Sadikus sowie ein verschossener Elfmeter von Müller. Doch auch der Gast aus dem „Ocho“ kam vermehrt zu seinen Chancen und ging kurz vor dem Pausenpfiff mithilfe eines Standards und einer Manndeckung der Kategorie Geleitschutz gar in Führung.

In der Folge wollten einige Spieler statt dem Pausentee schon ein Hard Seltzer oder Hard Ice Tea am Stand des Getränkeherstellers Sundays fassen, um sich über das unnötige Gegentor hinwegzutrösten. Dennoch glückte der Start in die zweite Hälfte aus Neumi-Sicht: Larcheveque fasste sich kurz nach Wiederanpfiff ein Herz und zimmerte den Ball mit dem linken Fuss unhaltbar in die Maschen. Es folgten ein Urschrei, Jubel in Form von „Allez les Bleus“-Rufen und die Zuversicht, dass man dieses Derby doch noch drehen könnte.

Danach flachte die Partie etwas ab und das Spielgerät wurde wieder vermehrt dem Gegner überlassen. Dies führte zu einigen brenzligen Situationen, die insbesondere der Defensive des FCN alles abverlangten. Ein Zusammenprall zwischen Torhüter Baici und einem Seefelder wurde schliesslich mit Gelb für Trainer Reiff bestraft. Viel anbrennen liessen die Neumünsteraner aber nicht mehr.

So taumelte die Partie schon ihrem Schlusspfiff entgegen, ehe der Kapitän und Aggressiv-Leader Huber zum Energieanfall ansetzte. Mit dem Eifer eines Neo-Innenverteidigers unterband er in der 90. Spielminute zunächst den gegnerischen Angriff, stürmte mitsamt Ball über den halben Platz, umkurvte sodann den letzten Abwehrspieler und legte schliesslich virtuos und mit voller Absicht auf den ideal postierten Müller auf, der das Gesamtkunstwerk vollendete und zum 2:1 einschob. Es folgte ein Jubel so ausgelassen, dass sich der Torschütze dabei auf den Knien rutschend gleich selbst verletzte und Laurent nach seinem Platzsturm nur noch mit Mühe wieder hinter die Absperrbande befördert werden konnte.

Die Nachspielzeit gab abgesehen von einem weiteren Wutausbruch Sadikus (offenbar waren die Ferien zu kurz) nicht mehr viel her. Und so war der abermalige Last-Minute Sieg gegen den noisy Neighbour in trockenen Tüchern. Nicht lange trocken blieben danach die durstigen Kehlen der erschöpften, aber glücklichen Derbysieger. Noch auf dem Spielfeld trank man zunächst den Sundays-Stand leer. In der Kabine feierte man eine Party am See. Und schliesslich widmete sich ein Gros der Mannschaft dem traditionsreichen und ausgiebigen Höckle. Man hatte es sich verdient.